#48: Legasthenie - wenn das Gehirn Sprache anders verarbeitet
Shownotes
Rund 5–8 % der Menschen haben eine Lese-Rechtschreib-Störung – und doch wird sie oft falsch verstanden. In dieser Folge tauchen wir in die neurowissenschaftlichen Grundlagen der Legasthenie ein: Was passiert im Gehirn? Warum ist es keine Frage von Intelligenz oder Fleiß? Und wie können Betroffene unterstützt werden? Anhand aktueller Forschung und praxisnaher Beispiele erklären wir, wie unser Gehirn Schrift verarbeitet und welche Unterschiede bei Legasthenie auftreten.
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00:00:00: Gehirn einfacher Klärz, der Podcast für alle mit Köpfchen.
00:00:06: Herzlich willkommen, schön, dass ihr mit dabei seid. Mein Name ist Katrin Wachauer.
00:00:11: Ich bin Moderatorin, Autorin, Podcasterin.
00:00:15: Mein Name ist Manuela Macedania und ich bin Wissenschaftlerin mit Unterauch-Bodcasterin.
00:00:20: Und Autorin. Ein Buchhaterin.
00:00:22: Ja, das ist bei dir nicht wie bei mir das erste Buch.
00:00:25: Du bist ja schon wieder drauf und dran, eines zu veröffentlichen. Das wieviel der ist das?
00:00:30: Da müsste ich zählen, zusammen zählen.
00:00:32: Aber anziehen.
00:00:33: Aber muss ich in die Homepage schauen.
00:00:36: Was darf man schon verraten über dein Buch?
00:00:38: Na ja, man darf schon einiges verraten, den Titel gibt.
00:00:42: Bitte.
00:00:43: Eigentlich ist das Buch schon geschrieben, geht jetzt ins Laut.
00:00:47: Das Buch heißt "Koch dich klug, genussvolle Rezepte für ein gesundes Gehirn".
00:00:54: Und ist ein Kochbuch, erscheint, glaube ich, am 20. September, 25.
00:00:59: Und in Linz gibt es am Montag, dem 29. September, die Buchpräsentation.
00:01:05: Wo?
00:01:06: Bei Talia.
00:01:07: Talia Landstraße.
00:01:08: Ja.
00:01:09: Okay, spannend.
00:01:10: Alle sind herzlich eingeladen.
00:01:11: Das sind quasi Rezepte.
00:01:13: Ja, es ist ein Rezeptbuch, aber es ist eigentlich ein Mix.
00:01:19: Ja, es geht um Rezepte, die gut für das Gehirn sind.
00:01:26: Und ich erkläre, also ich bringe nicht nur die Rezepte, sondern ich erkläre Basics des Gehirns,
00:01:31: für Menschen, die sich noch nicht damit auseinandergesetzt haben.
00:01:34: Und dann zu den Zutaten erkläre ich jeweils immer, warum sie für unser Gehirn gut sind.
00:01:41: Die Küche, die ich da präsentiere, ist eigentlich die Küche meiner Mama.
00:01:46: Das ist eine norditalienische Küche mit auch Pasta.
00:01:51: Also es sind auch einige Pasta Rezepte drin, also Pasta, Nudeln selber machen.
00:01:56: Und dann erkläre ich auch ein paar Geschichten dazu, also welche Nudeln, wer was gemacht hat
00:02:02: und auch die Soßen dazu.
00:02:04: Es sind auch ein paar Rezepte, die sich die Leserinnen und Leser in Österreich noch nicht kennen,
00:02:10: weil das auch nicht immer übliche Rezepte sind.
00:02:14: Es sind viele norditalienische Bauernküche und Ostertalerküche
00:02:21: und mit ein paar Anekdoten aus meiner Kindheit und Jugend
00:02:26: und auch mit ein paar so anthropologische Abschnitte darüber,
00:02:35: wie zum Beispiel Naturvölker essen und so weiter und so fort.
00:02:41: Wie viele Seiten sind es geworden?
00:02:43: Das kann ich jetzt nicht sagen, aber meine Skript mäßig sind es um die 150.
00:02:47: Also es ist ein dickes Kochbuch, aber man kauft damit auch so ein Sachbuch über das Gehirn
00:02:54: und man erfährt sehr viel über die norditalienische Küche nach Mamas Arten.
00:03:01: Also nicht gekünstelt, also man kann jedes Rezept nachkochen.
00:03:06: Es sind nicht diese Rezepte von Köchchen, wo man sich denkt um das,
00:03:10: oder wo man überall die Pinzette haben muss, damit man den Teller anrichtet.
00:03:15: Oder wo man sich denkt, das kriege ich nie hin,
00:03:19: sondern es gibt auch Fotos, wo ich meine eigene Panacotta gestürzt habe
00:03:24: und man sieht, die eine Ecke ist runtergebrochen.
00:03:27: Es ist halt so im Leben.
00:03:29: Das ist normal, oder?
00:03:30: Genau. Also ich möchte, dass die Menschen lernen zu kochen
00:03:34: oder zumindest nach dieser Art kochen, um ihre Gehirngesundheit bewusst zu steuern.
00:03:42: Okay, na ich bin gespannt.
00:03:44: Wann hast du gesagt, Ende September 2017?
00:03:47: 20. September erscheint es.
00:03:49: Und am 29. ist Erstpräsentation in Linz.
00:03:52: Kann man da hinkommen, einfach so?
00:03:54: Einfach so, ja.
00:03:55: Und die Erstpräsentation in Wien ist ein paar Tage davor.
00:03:59: Aber ich habe sie jetzt nicht im Kopf.
00:04:01: Aber ich werde es vielleicht in meine Events-Seite auf immer die Homepage geben.
00:04:06: www.marchedonia.tv
00:04:07: Genau, ich werde das jetzt in den nächsten Tagen machen.
00:04:10: Ja, ich bin schon ganz gespannt, wie das dann aussehen wird.
00:04:13: Cover, wie schaut das aus? Bist du zufrieden?
00:04:16: Cover? Ja, bin zufrieden.
00:04:19: Okay, nein, ich bin gespannt.
00:04:21: Ja und wir wollen heute über, ja nicht über das Kochen sprechen,
00:04:25: nicht über das Essen sprechen, sondern im Prinzip auch über das Lesen sprechen.
00:04:28: Ja.
00:04:29: Über die Legasthenie.
00:04:31: Wie kann man die Legasthenie eigentlich definieren?
00:04:34: Was ist das genau?
00:04:36: Legasthenie, das ist ein großer Begriff.
00:04:40: Ja, wird immer reduziert auf...
00:04:44: jemand tut sich schwer beim Lesen.
00:04:46: Ja, läse Schwäche.
00:04:47: Ja, genau, läse Schwäche.
00:04:49: Ich habe eine Zeitlang, also wie ich in Deutschland war,
00:04:52: Max Blanke Institut, meine Büro-Nachbarin war eine Spezialistin,
00:04:58: man sagt dazu, SLA, Severe Language Impairment.
00:05:03: Also Schwere Sprachbeeinträchtigung, bezeichnet man das in der Fachsprache.
00:05:10: Und damit kann, sagen wir so, ein Symptom, also eine Reihe von Symptome beschrieben werden,
00:05:19: die einmal eben eine Leseschwäche haben oder aber auch eine Schreibschwäche.
00:05:24: Und ja, und die hat mehrere Ausformungen.
00:05:28: Ja, bei manchen Menschen ist es mehr ausgeprägt, bei anderen weniger.
00:05:32: Und bei manchen taucht es sofort auf, sobald sie in die Schule kommen,
00:05:37: stellt das die Lehrer in der Lehrer fest, dass das Kind sich schwer tut.
00:05:43: Bei anderen taucht es, also bei anderen wird es auffällig erst später.
00:05:48: Es ist ein sehr komplexes Phänomen.
00:05:51: Weil normalerweise sagt man ja, so Ligastinie oder ein Ligastiniker
00:05:55: ist jemand, der die Buchstaben vertauscht, so heißt es ja im Ganz Allgemeinen.
00:05:59: Aber nicht nur.
00:06:01: Ja, es können andere Ausprägungen auch sein.
00:06:04: Richtig, richtig.
00:06:06: Interessant sind diese ganzen Studien, die es jetzt schon gibt.
00:06:10: Diese Phänomene werden schon sehr lang untersucht.
00:06:13: Also mindestens schon 20, 25 Jahre aus einer wissenschaftlichen Sicht.
00:06:18: Und interessant ist, dass in den gewissen Bereichen, die für Sprache zuständig sind,
00:06:27: dass da veränderte Aktivität ist gegenüber den Kontrollpersonen,
00:06:32: die keine Schwierigkeiten haben.
00:06:34: Und die Bereiche, die betroffen sind, sind natürlich das Broca Areal, Sprache sprechen.
00:06:41: Und gewisse Regionen, die mit Lesen zu tun haben.
00:06:48: Und insbesondere, meine ich hier, die von mir genannte Gürtelwindung,
00:06:58: Spindelwindung, das ist eine Windung praktisch hinter dem Ohr.
00:07:03: Und auf der linken Seite ist sie für das Lesen zuständig.
00:07:07: Rechts ist für die Gesichtserkennung die gleiche Windung.
00:07:10: Rechtsgesichtserkennung, links lesen.
00:07:12: Also das ist eine Windung, die die Muster analysiert.
00:07:16: Und nachdem das Lesen eigentlich für die breite Bevölkerung
00:07:23: um die 100 Jahre jetzt stattfindet, hat sich diese Region darauf so spezialisiert.
00:07:28: Vielleicht hatte sie eine andere Aufgabe vor dem Lesen,
00:07:33: oder hatte sie wahrscheinlich die gleiche Aufgabe auch noch,
00:07:37: aber das Lesen ist hinzugekommen.
00:07:39: Und in diesen Regionen wird eben diese veränderte Aktivität festgestellt.
00:07:47: Diese Kollegin von mir damals arbeitete mit EEG, Elektro-Enzyphalografie.
00:07:53: Ja, ich wollte gerade fragen, wie kann man das auch wirklich sichtbar machen?
00:07:56: Genau, sie arbeitete mit EEG und sie hat ihren Probanden immer Wörter und Töne vorgespielt.
00:08:10: Wie Wörter vorgespielt?
00:08:12: Der Proband sitzt im EEG, in der EEG-Kabine.
00:08:17: Das sind so wie hier, so schallisolierte Kabinen.
00:08:23: Und der Proband sitzt dort mit einer EEG-Haube aufgesetzt.
00:08:30: EEG sind diese...
00:08:33: Wie vom EKG?
00:08:34: Genau, Elektro-Enzyphalografie.
00:08:37: So eine Sackknöpfe in die Richtung?
00:08:38: Ja, nicht Saug, sondern das sind so Elektroden.
00:08:43: Das ist eine Kappe, wo mehrere Elektroden sind.
00:08:46: Und eine Elektrode leitet die Gehirnströme ab an der jeweiligen Stelle, wo sie platziert ist.
00:08:53: Also je nachdem, wie viele Elektroden so eine Kappe hat.
00:08:57: Und das wird dann aufgeschrieben und da kommt eine Elektro-Enzyphalografie raus.
00:09:04: Das haben sicher schon viele unserer Hörerinnen und Hörer gesehen.
00:09:09: Das ist dann ein Blatt, wo sehr viele Linien sind, die mehr oder weniger hohe Sacken haben.
00:09:19: Genau, das ist so ähnlich auch wie beim EKG.
00:09:22: Genau, weil das Prinzip ist dasselbe.
00:09:25: Also das Gerät schreibt auf, was es abgreift, ein Signal.
00:09:33: Und nachdem die Neuronen, also die Gehirnzellen, wenn sie arbeiten, wenn diese Verbände eine Information verarbeiten,
00:09:41: zum Beispiel ich höre einen Ton, dann sind diese Regionen, die mit Tonverarbeitung sich beschäftigen.
00:09:48: Dann schließen sie sich zusammen und verarbeiten eben diesen Ton.
00:09:53: Sie übernehmen sozusagen das Muster, das reinkommt und schauen, ob dieser Ton schon ein Muster hat im Netzwerk.
00:10:01: Und wenn nicht, bauen sie ein neues auf.
00:10:04: Konkretes Beispiel, also mit Ton wird es wissenschaftlich gearbeitet, aber vielleicht für die Leserinnen und Leser ist es nicht so nachvollziehbar.
00:10:13: Herrerinnen und Hörer.
00:10:15: Was habe ich gesagt?
00:10:16: Leserinnen und Leser.
00:10:18: Nehmen wir zum Beispiel ein kleines Kind, das zum ersten Mal einen Hahn hört.
00:10:26: Konkret Hahn.
00:10:27: Ja, genau.
00:10:28: Also der Hahn kräht, das Kind lebt in der Stadt, fährt auf einmal, macht Urlaub am Bauernhof und auf einmal hört das Kind diesen Hahn krähen.
00:10:38: Jetzt nimmt sein Gehirn, also oberhalb der Ohren haben wir die auditorische Rinde, also die Hörrinde.
00:10:49: Und die Hörrinde ist dazu da, dass es eben Geräusche aus der Außenwelt analysiert und für jedes Geräusch oder jeden Ton oder jede Stimme ein eigenes Muster anlegt.
00:11:00: Also legt dieses Kind das neue Muster an für das Krähen.
00:11:05: Und dann werden eben die Eltern sagen, schau, der Hahn, der Krät und so.
00:11:11: Und wenn das Kind das nächste Mal hört, erkennt das Kind dieses Muster und weiß, dass es draußen der Vogel ist.
00:11:20: Und in diesen Experimenten, die Johanna Barry heißt sie gemacht hat, also neben mir gemacht hat, hat sie den Probanden Töne vorgespielt und Sprache, zum Beispiel Sätze.
00:11:36: Also die Probanden sind in der Kabine gesessen, haben das EEG, die EEG auch aufgesetzt gehabt, sie haben einen Kopfhörer gehabt und dann wurden präsentiert durch den Kopfhörer Töne, zum Beispiel ping, ping, bong, bang und so.
00:11:53: Und das war notwendig, um zu sehen, ob die Probanden gut hören.
00:11:59: Denn ab dem Zeitpunkt, also millisekundemäßig, wo die Person den Ton hört, gibt dann diese Gruppe von Zellen ein Signal ab, weil sie verarbeiten gerade den Ton.
00:12:14: Und da weiß man, okay, ab der millisekunde Null arbeiten sie schon.
00:12:21: Das bedeutet, die Probanden hören und sie hören den Ton.
00:12:27: Weil es könnte sein, dass die Probanden sie dort sitzen, nicht gescheit hören können.
00:12:32: Und dann hat die Johanna diese Sätze vorgespielt.
00:12:38: Und interessant war, dass die Wahrnehmung der Sprache ein paar Millisekunden später angefangen hat.
00:12:46: Das heißt, es war eine Störung in der Wahrnehmung.
00:12:50: Und wahrscheinlich, ich weiß jetzt nicht mehr, wie Ihre Forschung weitergegangen ist, aber sie hat angenommen aufgrund des Ansetzens der Informationsverarbeitung.
00:13:02: Also diese Probanden, die haben gut gehört, nur die Verarbeitung der Sprache war gestört.
00:13:09: Und wahrscheinlich aufgrund dessen, zum Beispiel bei einem Diktat, schreibt das Kind, die Buchstaben verdreht.
00:13:18: Es kann sein, dass das Kind das nicht so hört, wie es ist, weil seine Sprachverarbeitung da und dort einen Aussetzer hat.
00:13:29: Und das bedeutet, dass eben möglicherweise an der Sprachverarbeitung liegt.
00:13:37: Also es ist nicht so, dass das Kind diese Regel nicht hört, sondern man bringt den Kind bei, das wird so und so geschrieben.
00:13:45: Aber das Kind, und man sagt, hörst du es? Und das Kind wird das sagen, ja, aber das Kind hört das anders, als du ihm das erklärst.
00:13:54: Und wenn es dann schreiben muss, dann ist es verwirrt, weil hören tut etwas und schreiben muss er das andere.
00:14:03: Und deswegen sind meistens die Übungen bei Kindern, die diese Themen haben, ist das eindrillen, wie man das Wort schreibt.
00:14:12: Also weil das Kind kann sich nicht verlassen auf seine auditiven Fähigkeiten und auch nicht ganz auf die Regeln, die ihm vorgeschlagen werden, um das Wort richtig zu schreiben.
00:14:22: Was ist da im Gehirn anders?
00:14:25: Das kann man eigentlich nicht wirklich sagen. Es gibt ganz, ganz viel Literatur dazu, es gibt die verschiedensten Hypothesen.
00:14:34: Aber sagen wir so, es gibt eine nicht ganz richtige Verschaltung in den Netzwerken.
00:14:41: Also diese Netzwerke haben sich so aufgebaut, im Laufe der Zeit, warum auch immer, dass sie nicht so arbeiten, wie sie arbeiten sollten.
00:14:50: Und es kann daran liegen, dass das ein Gendeffekt ist.
00:14:55: Es ist ein Gendeffekt, dass aber nur diese
00:14:59: spezielle Region betrifft. Es muss ja nicht sein, dass ein Kind dieses Problem hat, andere
00:15:06: Probleme hat, kognitiver Probleme hat, überhaupt nicht. Das Kind hat eine Teilfehlleistung.
00:15:16: Das ist einfach nur begrenzt auf dieses Ding. Das heißt aber nicht, dass das Kind nicht
00:15:22: in anderen Fächern risisieren kann. Man weiß zum Beispiel, dass ganz viele hochbegabte
00:15:30: Legasthenika sind. Das ist total interessant. Aber sagst du immer "nature" und "nurture"
00:15:37: ist es quasi hier, das Problem liegt hier bei der Nature, bei der Genetik. Oder kann man
00:15:46: das so nicht sagen? Ja, also man kann es sagen wir so. Man müsste genau unterscheiden, wenn
00:15:54: ein Kind diese Rechtschreib lese schwächer hat, ob dieses Kind tatsächlich die beste
00:16:04: Vermittlung vom Rechtschreiben bekommen hat. Also jene Vermittlung, die dem Kind hilft,
00:16:12: schnell rechtszuschreiben. Ich habe oft daran gedacht ja, warum haben eigentlich in den
00:16:19: letzten 20, 30 Jahren so viele Menschen das Problem Legastheni? Ist es so ein Trend geworden,
00:16:27: kann man das sagen? Ist es so eine Erscheinung geworden? Ja, ist eine Erscheinung, die jetzt
00:16:31: stärker auftritt als früher. Und es kann sein, es muss nicht sein, aber es kann sein,
00:16:41: dass damit einhergeht, dass die Schule das Rechtschreiben in die letzten 20 Jahre anders
00:16:48: vermittelt als früher. Also ich habe überlegt ja, wie lernt das Gehirn am besten? Das Gehirn
00:16:56: lernt am besten die kleine Einheit und dann tut man etwas dazu und noch ein bisschen etwas
00:17:01: dazu. Also das Gehirn lernt am besten linear, progressiv, vom einfachen zum schwierigen.
00:17:08: Und das Gehirn hat es auch gerne, dass es Strukturen durchschaut. Und ich habe mir sagen lassen,
00:17:16: dass an vielen Schulen das Lesen und Schreiben lernen mit großen Einheiten beginnt. Das
00:17:23: heißt, das Kind lernt das ganze Wort kennen und dann erkennen. Gorkihan. Ja, auf jeden
00:17:31: Fall. Also früher hat man kleine Buchstaben und laute Kombinationen gelernt. Aber das
00:17:39: war bei mir ja auch so. Ja, ja. Ka, ma, na und so weiter. Und dann hat man die Variation
00:17:45: mit dem Vokal gehabt. Also ich habe es zum Beispiel so gelernt. Ich glaube, ich habe es auch so
00:17:49: gelernt. Und dann hat das Kind gelernt zu kombinieren. Das heißt, diese kleinen Einheiten waren dem
00:17:57: Kind bewusst, dass sie gibt. Und es war ihm auch bewusst, dass sie ausdauschbar sind, dass
00:18:03: die Vokale ausdauschbar sind, etc. Und das hat bewirkt, dass das System Rechtschreibung
00:18:12: transparent war. Jetzt wird das Kind mit einem ganzen Wort konfrontiert. Das Kind bekommt
00:18:20: aber nicht sozusagen das Regelwerk dazu, sondern es muss selbst abstraillieren, wann
00:18:28: was ist. Und dazu noch muss man sagen, die deutsche Rechtschreibung ist recht schwer
00:18:32: und sie wird auch permanent geändert. Also mit Schaffem-Eis oder ohne und Doppel-Eis und
00:18:39: so weiter und so fort. Also ich tue mir selbst schwer, weil ich schreibe eigentlich Bücher
00:18:44: seit dem Jahr 98 und bei jedem Buch erfahre ich was Neues. Ja genau, erfahre ich was Neues,
00:18:51: weil sich die Rechtschreibung schon wieder geändert hat. Und das ist im Deutschen auch
00:18:58: sehr schwer für ein Kind sozusagen die Rechtschreibung zu durchschauen bei sich ständig verändernden
00:19:04: Regeln, aber auch sehr schwer von der großen Einheit auf die kleine zu schließen. Also
00:19:14: ich würde meinen, es ist nicht optimal, dass ein Kind anfängt, Wörter zu lesen oder zumindest
00:19:22: sich mit Worteinheiten zu beschäftigen. Es wäre besser, man würde mit einzelnen Buchstaben
00:19:28: aus Sicht des Gehirns. Also ich bin da keine Pädagogin und schon gar keine Primärpädagogin,
00:19:34: aber aus Sicht des Gehirns wäre das besser. Also vom Kleinen zum Großen. Von Kleinen
00:19:39: zum Großen und bezüglich deiner Frage, ob das "Nature and Nurture" ist, also es gibt
00:19:49: sehr wohl auch Untersuchungen zum Beispiel mit Diffusionstänzer, Bildgebung, DTI, heißt
00:19:55: es. Was ist denn das? Ich habe schon wieder Grundlagen. Es ist ein Bildgebendes Verfahren.
00:20:09: Das zeigt, wie die, wie im Gehirn, ich versuche das jetzt sehr vereinfacht zu sagen, wie die
00:20:24: Verbindungen im Gehirn organisiert sind. Also wie diese ganzen Phasern. Manchmal sieht man
00:20:33: so Bilder vom Gehirn, wo viele Fäden drinnen sind. Das ist die DTI-Bildgebung. Und da sieht
00:20:41: man, dass diese Fäden, das sind nichts anderes als Hochgeschwindigkeitsleitungen in der Kommunikation
00:20:52: und der Neuronen. Dass diese Verbindungen nicht so stark aktiv sind, wie sie sein sollten.
00:21:03: Also dass die Areale, die miteinander kommunizieren sollten, zum Beispiel Sprache sprechen und
00:21:09: Sprache verstehen, nicht so hoch aktiv sind wie bei Menschen, die das Problem nicht haben.
00:21:14: Kann man dagegen eigentlich was tun? Wenn etwas strukturell ist, das heißt also die
00:21:23: Anatomie, die Struktur des Gehirns, wie zum Beispiel in diesem Fall, man könnte fast
00:21:27: von einer Fehlverkabelung sprechen, kann man eigentlich wenig tun. Weil die Hardware zu
00:21:35: verändern ist sehr, sehr schwer. Aber man kann durch gezieltes Training die Schwierigkeiten
00:21:47: reduzieren. Weil letztendlich ist das Kind dann auch sehr unglücklich, wenn es frustriert,
00:21:53: wenn es permanent schlechte Noten bekommt. Und deswegen müsste man gezielte Trainings
00:22:00: anbieten. Also ich bin da mit diesen Trainingsmöglichkeiten nicht vertraut. Aber wenn alles andere
00:22:09: nicht hilft, dann müsste man tatsächlich hundertmal dasselbe Wort schreiben. Wahrscheinlich
00:22:15: hilft das. Damit man es kann. Damit sich das auch ins motorische Gedächtnis einprägt,
00:22:23: dass diese Buchstaben hintereinander sind, selbst wenn man sie nicht hört und selbst
00:22:28: wenn man es anders machen würde. Man muss halt mit dem Gedächtnis und nicht mit der
00:22:34: Sprachfunktion diesem Problem begegnen. Kann man Legasthenie eigentlich erst dann feststellen,
00:22:43: wenn es ums Schreiben und Lesen in der Volksschule geht? Oder kann man das irgendwie schon davor
00:22:48: herausfinden, ob das Kind betroffen ist? Grundsätzlich könnte man gehen Analysen
00:22:56: machen. Okay ja, sinnlos oder so. Die Verährbarkeit liegt zwischen 50 und 70 Prozent. Also wenn
00:23:07: ich es habe, habe mein Kind es so voraussichtlich, also zwischen 50 und 70 Prozent. Also wirklich,
00:23:13: so hoch ist die Wahrscheinlichkeit. Aber zu hoffen ist, und die Gene sind auch schon
00:23:17: sehr genau definiert. Also ich sage ja, diese Forschung, die geht schon 25 Jahre auf
00:23:23: Wuchttouren in mehreren Ländern und die Gene sind auch bekannt. Aber zum Beispiel es sind
00:23:33: Gene, die an der Migration von Zellen beteiligt sind. Das heißt, also die Stammzellen des
00:23:40: Gehirns, die werden in einem Bereich des Hypokampus generiert. Und dann wandern sie dort und dorthin,
00:23:49: wo sie gebraucht sind. Und auch im Mutterleib. Also da findet die ganz große Migration statt,
00:23:59: weil das Neuralrohr produziert ständig und diese Migration bedient dann, wo die neuen
00:24:10: Stammzellen hinkommen. Und es müssen genug leistungsfähige Zellen kommen in diese
00:24:17: Zwei-Sprachregionen. Sprache sprechen und Sprache verstehen. Es müssen sich auch diese Verbindungen
00:24:23: aufbauen etc. Und wenn jetzt dieses Gen sozusagen geschaltet ist, dass diese Migration nicht optimal
00:24:29: stattfindet, dann hat man eben Areale, die nicht so gut funktionieren für die Aufgabe,
00:24:36: die sie hätten. Und natürlich kann man genetisch Analysen machen, aber ich würde das auch niemals
00:24:44: vornehmen. Ich finde auch, diese ganzen Tests und Analysen und so weiter und so fort,
00:24:52: die stämpeln oft Menschen ab und nehmen ihnen den Mut auch, weil wenn es mir passieren würde,
00:24:59: wenn man mit mir zum Beispiel einen dieser Intelligenz-Tests gemacht hätte, wo man Formen
00:25:05: rotieren muss und Dinge ineinander reinpassen muss, ich bin da komplett unbegabt. Wenn man zum
00:25:12: Beispiel meinen Studienzugang darauf beschränkt hätte, dass ich da diese Intelligenz-Tests
00:25:18: machen und dann hätten sie mir gesagt, lieber Manuela, du bist nicht geeignet für das Studium.
00:25:26: Das hätte mich so frustriert und wahrscheinlich hätte man sogar ein bisschen das Rückgrat gebrochen,
00:25:34: dass ich einfach mich als Loserin fühle. In dem Bereich bin ich sicher eine nicht begabte
00:25:41: und sicher hätte ich auch mathematisch nie was weitergebracht. Aber dass man es mir reindrückt
00:25:46: und abstempelt, ich denke, es ist demotivierend und einem Kind kann tatsächlich auch die Lust an
00:25:53: der Schule nehmen und ich denke, man soll sich da zurückhalten mit all dieser Testerei,
00:25:58: ist meine persönliche Meinung, damit man auch jedem Kind, das selbst so ein Problem hat,
00:26:04: jede Menge offenen Türen bietet, dafür, dass das Kind erhobenen Hauptes durchgehen kann und
00:26:10: ja, da und dort ist vielleicht ein bisschen eine Schwierigkeit, aber man weiß es schon,
00:26:16: diese Menschen sind ja nicht rundum betroffen, sondern das ist eine kleine Schwäche. Und
00:26:25: mit der kann man leben, andere haben andere Teilschwächen. Ich habe viele Teilschwächen,
00:26:29: genau, ich habe auch mehrere. Die sind schon versteckt, weil sie ja nicht getestet wurden.
00:26:34: Teilschwächen ist Teilstärken. Ja, genau, genau. Ja, jetzt haben wir gesprochen von
00:26:38: Ligastinier als Schreibschwäche, als Liserschwäche. Was ist jetzt eigentlich mit der gesprochenen
00:26:43: Sprache? Ist sie auch betroffen oder kann die betroffen sein? Die kann auch ein bisschen betroffen
00:26:48: sein. Ich habe zum Beispiel mit einem Kind zu tun gehabt, das mit, ich glaube, sechs und sieben
00:26:58: Jahren, dass Z nicht sagen konnte. Z, okay. Z hat ihm Ersatzlaute produziert. Zum Beispiel,
00:27:07: was ist das? Das Z, also wenn, wenn man überlegt, was Z ist, ja, ist nichts anderes, als dass
00:27:14: ich ein T aussprechend und dann eins danach, T und S, das ist ein Z. Ja, aber man muss,
00:27:21: man muss, man muss die Zunge und die Zähne, muss man so shapeen, dass dieses Z rauskommt
00:27:29: und nicht, nicht ein TS. Ja, ja, also das Kind lernt einfach, das Kind, das keine Probleme
00:27:36: hat, hört und macht. Das Kind, das Probleme hat, hört wahrscheinlich nicht so ganz und
00:27:43: macht es anders. Und dieses Kind, das ich gekannt, also kenne, ich kenne es noch, jetzt ist er
00:27:48: wachsen und hat studiert und ist sehr erfolgreich und so. Aber das Kind hat damals nur ein T
00:27:54: gesagt. Okay. Zu, statt zu. Ja. Zu. Tirkus. Tirkus, ja, Tirkus hat er gesagt, ja. Und die Eltern
00:28:08: sind auch erst am Ende vom ersten Schuljahr drauf gekommen, dass er Legasthenika ist.
00:28:13: Ja. Hat sich aber super entwickelt, dass du gesagt hast. Wunderbar entwickelt, er hat
00:28:19: studiert, erfolgreich, jetzt ist er sehr erfolgreich in seinem Beruf. Er hat ein Jahr, ich glaube,
00:28:25: in Taiwan verbracht, Erasmus und was ich, was alles gemacht. Das hat ihn im Endeffekt
00:28:32: in seiner globalen Entwicklung als Mensch eigentlich ganz wenig gestört. Bis auf das,
00:28:38: da natürlich frustriert war in der Schule das erste Jahr, dass er die schlechten Noten
00:28:43: kassiert hat und dass den Eltern was endlich das erste Jahr gar nicht bewusst. Sie haben
00:28:49: natürlich gehört, dass er diesen Sprachfehler hat. Aber sie haben, kommt mir vor, ja, sind
00:28:55: schon einige Jahre her, nicht verknüpft mit einer möglichen Legastheni und wurde danach
00:29:01: getestet und dann war es klar und dann hat das Kind auch die notwendige Unterstützung
00:29:06: bekommen und alles ist gut geworden.
00:29:08: Das ist schön zu hören. Ja, das war unsere Folge zum Thema Legastheni.
00:29:14: Ja, sehr schön. Ich hoffe, ich konnte auch ein paar Menschen Mut machen oder ein paar
00:29:19: Eltern, dass sie die Sache eher gelassen angehen und ihre Kinder unterstützen und dass
00:29:27: das nicht kein Weltuntergang ist.
00:29:30: Genau, kein Weltuntergang ist. Und es gibt jede Menge sehr, sehr erfolgreiche Menschen,
00:29:36: die das Thema haben und auch sogar Nobelpreisträger. Angeblich war Einstein auch Legastheniker.
00:29:42: Okay, take it easy. Take it easy. Be happy.
00:29:48: Das war unsere Folge zum Thema Legastheni. Wir sagen vielen Dank fürs Zuhören und freuen
00:29:53: uns natürlich über gute Bewertungen.
00:29:55: Und wir wünschen allen einen schönen Sommer.
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